06. Dezember 2020

«Wochendiagnose: Wahldeutungen»

Vor einer Woche erlebte Basel die mit Spannung erwartete zweite Runde der Regierungsratswahlen. Emotional dominierte für mich die Enttäuschung über das Ausscheiden meines Freundes und Kollegen Baschi Dürr, für welches eigentlich niemand eine plausible Erklärung hat. Eine Deutung der Wahlergebnisse fällt generell schwer.

Jean-Jacques Rousseau setzte die Illusion der «volonté générale» in die Welt: Jenseits von Einzelinteressen und Mehrheitsmeinungen solle es einen übergeordneten Gemeinwillen geben. Diesen suchen wir jeweils bei der Analyse von Wahlresultaten vergeblich – zum Glück.

Die Analysen der BS-Wahlen gehen weit auseinander: Der Chefredaktor der Basler Zeitung spricht von «dringend benötigter Frischzellenkur», weil die Wählerinnen und Wähler unzufrieden seien und Basel im Argen liege. Sein Kollege bei der bzbasel schreibt demgegenüber, es sei eine «Luxuswahl» gewesen und inhaltlich sei davon gar kein Veränderungsdruck abzuleiten.

Die «volonté générale» ist eben eine Illusion. Wahlergebnisse kommen ohne Erklärung, denn die Wählerinnen und Wähler können und müssen ihre Wahl nicht begründen. Wahl ist Willkür, sie kann inhaltlichen Überlegungen, egoistischen Interessen oder persönlichen Stilpräferenzen geschuldet sein. Für die nicht Gewählten ist das kein Trost. Die Gewählten hingegen können sich auf das Mandat ihrer Wählerinnen und Wähler berufen und stehen in der Pflicht, ihre Ideen von Gemeinwohl in den Gremien zu vertreten. Ich danke allen, die gewählt und so unsere Demokratie gestärkt haben.

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