06. März 2022

«Wochendiagnose: Mangelbefürchtungen»

Wir hatten es sehr gut in den vergangenen Jahrzehnten. Es galt als Selbstverständlichkeit, dass unser Staat seine grundlegenden Aufgaben wie Sicherheit, Gesundheit und Elementarversorgung jederzeit würde erfüllen können. Entsprechend hat sich die Politik auf Optimierungsdiskussionen verlegt: für die Linke steht die Ausdehnung der Staatsaufgaben in neue Bereiche im Vordergrund, für die Bürgerlichen die Verschlankung des Staatsapparats unter weitestmöglicher Schonung der Steuerpflichtigen.

Die Pandemie hat zu einem ersten Umdenken geführt. Plötzlich wurden fieberhaft Intensivbehandlungsplätze und Impfdosen gezählt, grassierte die Furcht vor der Systemüberforderung. Diese hat den Bundesgesetzgeber bereits dazu bewogen, die Kantone zur Finanzierung von Reserve-Kapazitäten in den Spitälern zu verpflichten.

Der rücksichtslose und zynische Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die nun folgende humanitäre Katastrophe haben ähnliche Mangelbefürchtungen im Sicherheitsbereich provoziert. Hätte unsere Armee angemessene Mittel zur Landesverteidigung im Falle einer grossflächigen Konfliktausweitung? Stehen ausreichend Schutzräume zur Verfügung? Darüber hinaus wird durch den Krieg deutlich, dass unsere sich ohnehin schon abzeichnende Stromlücke noch grösser wird, wenn wir unsere Versorgung aus politisch fragwürdigen Abhängigkeiten lösen wollen.

Das sind keine Optimierungsfragen mehr. Ein neues Maximierungsdenken wäre indessen ebenfalls nicht zielführend. Vielmehr geht es um eine angemessene Resilienz im System Schweiz. Diese sollte im Ergebnis zu einer Verwesentlichung der Staatsaufgaben und gleichzeitig zu einer stärkeren Ausstattung des Gemeinwesens in seinen Kernbereichen führen. Hier steht viel politische Arbeit bevor.

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